Die Linke und der Irak-Krieg *

 

 


I.

 

Die neue Weltordnung oder

vom 11.09. über den 09.11. zu 9/11

 

Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden Gemeingut. Die nationale Einseitigkeit und Beschränktheit wird mehr und mehr unmöglich, und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine Weltliteratur.  

Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhass der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehn wollen; sie zwingt sie, die sogenannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d.h. Bourgeois zu werden. Mit einem Wort, sie schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde.
Karl Marx/Friedrich Engels: Manifest der kommunistischen Partei

 

Dass die viel diskutierte „neue Weltordnung“ eine wohl schon ziemlich alte ist, wird spätestens deutlich, wenn man sie in über 150 Jahren alten Büchern teils beschrieben, teils präzise antizipiert wieder findet. Die Rede von der „neuen Weltordnung“ ist also nicht wörtlich, aber durchaus ernst zu nehmen. Gehalten hat sie zuerst anlässlich des Zweiten Golfkrieges zu Beginn der Neunzigerjahre der Senior des jetzigen US-Präsidenten und damalige Präsident der USA, George Bush. Dass die Definition der „neuen Weltordnung“ beim US-amerikanischen Präsidenten lag, brachte vor jeder inhaltlichen Bestimmung als ein zentrales Kennzeichen dieser Ordnung zum Ausdruck, dass nach der Implosion der von der Sowjetunion aufgeführten realsozialistischen Staaten die USA die einzige Weltmacht waren. Das Neue an der alten Ordnung des Kapitalismus markiert so zuvördert eine Veränderung der politischen Situation im globalen Rahmen. Verursacht wurde diese jedoch weniger durch politisch-militärische Macht als durch den Umstand, dass in der weltweiten Systemauseinandersetzung zwischen Kapitalismus und Realsozialismus sich der stumme Zwang der privaten Konkurrenz dem staatlichen Kommando überlegen zeigte. In genau der im kommunistischen Manifest geschilderten Weise wurden die entwickeltsten kapitalistischen Staaten zu den auch weltweit mächtigsten durch die in der Logik des Kapitals selbst liegende – und deshalb auch schon vor 150 Jahren beschreibbare – Schaffung eines realen Weltmarktes, d.h. der Herstellung einer weltweit wirksamen und alle Nationen bestimmenden Konkurrenz, die auch die Grenzen und Mauern niederriss, hinter denen zu ihrem und ihrer Produkte Schutz statt barbarischer sich selbst als sozialistisch verstehende Gesellschaften verbargen.

Kapitalistische Gesellschaften sind nach Marx als Gesellschaften gekennzeichnet, in denen „die sachliche Herrschaft“ des „sich selbstverwertenden Werts“ als „automatisches Subjekt“ zu einer „fortwährenden Umwälzung der Produktion“, der „ununterbrochenen Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände“ und – damit verbunden – zu „ewiger Unsicherheit und Bewegung“ führt. Diese Bewegungen des Kapitals verlangen, um nicht im selbstzerstörerischen Kollaps zu enden, die regulierende und ordnende Handlung eines ideellen Gesamtkapitalisten, weshalb zugleich mit dem Kapital der Nationalstaat sich ausbildete. Im Weltmarkt wird das latente Problem, dass das zur Reproduktion der kapitalistischen Gesellschaft notwendige staatliche Handeln im Wesentlichen Geltung nur im territorialen und nicht im globalen Rahmen hat, zu einem virulenten. Die im regionalen Raum vom Nationalstaat ausgeübte Funktion des ideellen Gesamtkapitalisten ist im globalen nicht in entsprechender Weise zu besetzen. Im globalen Raum existiert der ideelle Gesamtkapitalist nur in fragmentierter Weise. Fragmente, die sich nur bedingt komplementär zueinander verhalten, die unausgefüllte Zwischenräume lassen und an anderen Stellen sich konfliktiv überlappen. Der vom Kapital in die Welt gesetzte kapitalistische Geburtshelfer, der mit ihm symbiotisch verbundene nationalstaatliche Souverän, verändert sich notwendig mit der Ausbildung eines globalen Kapitalismus. Seine Souveränität wird zugleich eingeschränkt wie auch in transnationale Räume transformiert. Das Maß nationalstaatlicher Souveränität wird im Prozess der Globalisierung angegriffen von

a) den steigenden Möglichkeiten der Einzelkapitale, den nationalstaatlichen Normsetzungen und Regulierungsmechanismen auszuweichen;

b) der Verlagerung von Macht in supranationale Organisationen, die notwendig sind, um die gesellschaftlichen Reproduktion des Kapitalverhältnisses auf globaler Ebene zu gewährleisten, und

c) anderen Nationalstaaten, zu denen sich der einzelne in einem systematischen Konkurrenzverhältnis in der neuen Qualität des nationalen Wettbewerbstaates befindet.

Da nationalstaatliche Souveränität keine ein für alle Mal gesetzte, keine fixe, sondern eine prozessualer Veränderung unterworfene ist, kann sie sinnvoll nicht a priori, sondern nur in diesem Prozess bestimmt werden. Maßgebend dafür, inwieweit einem Nationalstaat Souveränität überhaupt noch zukommt, ist, wie er sich im widerspruchsvollen Raum der kapitalistischen One World als ein auf Globalität zielendes gesellschaftliches Verhältnis behauptet und zeigt. Hatte der „klassische“ Nationalstaat vor allem für der Herstellung gesellschaftlicher Bedingungen privater Kapitalverwertung zu sorgen, so ist er im globalen Kapitalismus nicht mehr in der Lage, unter den vom Wertgesetz gesetzten Bedingungen den Rahmen zu definieren, innerhalb dessen die Konkurrenz der Einzelkapitale ausgetragen wird, sondern findet sich vielmehr in einer Situation wider, in der er mit anderen Staaten unter sich stetig verschärfenden Bedingungen um die Gunst der den gesamten Globus als Operationsgebiet begreifenden Einzelkapitale konkurrieren muss. Die Definitionsmacht der Staaten wird so zunehmend entweder pulverisiert oder zu einer transnationalen, deren Umfang und Gültigkeit sich in dem Vermögen, die internationale Agenda festzulegen und das Freund-Feind-Verhältnis zu bestimmen, zeigen muss. Die USA als einzig verbliebene Weltmacht sind nach diesem Maßstab zugleich der letzte Souverän. Dies korrespondiert mit einer entsprechend eingeschränkten Macht der übrigen Staaten, deren Politik sich deshalb in großen Teilen durch die Austarierung ihres Verhältnisses zu den USA bestimmt.

Schon die weltweite kapitalistische Zusammenbruchskrise Ende der 20er-, Anfang der 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts zeigte das Ausmaß der Interdependenz zwischen der kapitalistischen Staaten. Spätestens nachdem die Krise durch den Zweiten Weltkrieg faktisch beigelegt wurde, avancierten die USA zur zentralen und Leitökonomie des Weltkapitalismus, ihre Währung wurde zum Weltgeld. Als die durch außergewöhnlich hohe Wachstumsraten gekennzeichnete und aus einer Reihe von Sonderfaktoren resultierende Nachkriegsentwicklung in den 1970er-Jahren an ihr Ende kam, waren deshalb die USA wie kein zweiter Staat gefordert, entschiedene Maßnahmen gegen die Krise einzuleiten. Aufgrund der Schwäche der US-amerikanischen Arbeiterklasse, der traditionellen Dominanz der Marktideologie und des Umstandes, der weltweit bevorzugte Kapitalstandort zu sein, drängte sich eine angebotsorientierte, auf die unmittelbare Verbesserung der Produktionsbedingungen zielende Strategie in einem so starken Maße auf, dass darüber in der politischen und ökonomischen Elite der USA vollständige Einigkeit bestand. Die Transformation eines eher etatistisch-sozialstaatlichen Kapitalismus in einen neoliberalen, marktradikalen, in der sich die Paradoxie eines staatlichen Handelns mit dem Ziel der weitgehenden Abschaffung staatlicher Handlungen findet, wurde am schroffsten und zuerst mittels des von den USA unterstützten Putsches am 11.09.1973 in Chile ins Werk gesetzt. War der 11.09. auch noch geprägt von einer alten Ordnung, in der für Versuche eines wie auch immer begriffenen Weges zwischen Kapitalismus und Realsozialismus kein Platz war – so schlug bekanntlich fünf Jahre zuvor der Warschauer Pakt den „Prager Frühling“ militärisch nieder –, so fanden nach der Liquidation der Unidad Popular die an Milton Friedman geschulten Chicago-Boys in Chile ein Laboratorium, in dem die gesellschaftlichen Hindernisse für die Installierung eines neoliberalen Kapitalismus gründlich beseitigt waren.

Der geradewegs in den globalen Kapitalismus der Gegenwart mündende Siegeszug des Neoliberalismus führte zu einer ebenso drastischen wie nachhaltigen Neugestaltung der Welt. Seine wesentlichen Stationen nach Chile lassen sich kennzeichnen durch die Niederlagen der westeuropäischen Arbeiterbewegungen in den sozialen und politischen Auseinandersetzungen der 1970er-Jahre, die Verschuldungskrise der Dritten Welt zu Beginn der 1980er-Jahre sowie, an deren Ende, den Fall der Berliner Mauer am 09.11.1989, durch den der Zusammenbruch des realsozialistischen Systems eher besiegelt denn eingeleitet wurde. Eine Ironie der Geschichte ist freilich, dass der gleiche Wirkungsmechanismus, der es den Deutschen ermöglichte, auf der Berliner Mauer zu tanzen, auch vor ihrem geschätzten „rheinischem Kapitalismus“ nicht Halt machte. Den Wiedervereinigungsfeiern folgte ein bis heute anhaltender Kater, dem man gegenwärtig mit einer „Agenda 2010“ genannten „Friss-die-Hälfte“-Therapie beizukommen versucht.

 

Die Neoliberalen vertrauen vollständig auf die Selbstheilungskräfte des Marktes und sehen ihre segensreichen Mechanismen bedroht durch das Handeln marktferner Elemente wie auch das eines interventionistischen Staates.Die in der vorangegangenen Ära des Fordismus nicht zuletzt als Resultat sozialer und politischer Kämpfe erzielten staatlichen und tarifvertraglichen Regelungen, die das Gerüst des kapitalistischen Wohlfahrtsstaates bildeten, gelten im schon weitgehend deregulierten globalen Kapitalismus der Gegenwart lediglich als Hemmnisse für die Entfaltung der Marktkräfte. Reformer sind demzufolge heute diejenigen, die die gesellschaftlichen Reformprojekte der fordistischen Ära zurückbauen und zerschlagen. Zentrales Disziplinierungsinstrument sind dabei die internationalen Finanzmärkte, die, alles andere als dem angeblich produktiven Kapital feindlich entgegenstehend, die Kapitalmassen in flüssiger und deshalb sehr beweglicher Form bereithalten, um deren Anlage die nationalen Wettbewerbsstaaten als Standorte konkurrieren.

 

Der Logik des Marktes entspricht, dass die Schwächsten als Erste auf der Strecke bleiben. Ein zentraler Widerspruch liberaler Politik ist gekennzeichnet durch den weitgehenden Verzicht auf die politische Gestaltung ökonomischer Prozesse und auf das Bemühen um soziale Integration der Gesellschaft. Da innerhalb und mit den Mitteln des Marktes den Verlierern sich keine Entwicklungsperspektive stellt, politisch jedoch weitgehend und nach Möglichkeit auf soziale Integration jenseits des Marktgeschehens, weil diesem abträglich, verzichtet wird, hat man es in Folge mit einem erheblichen Potenzial an Desintegration zu tun. Die gesellschaftliche Befriedung dieses Potenzials ist Aufgabe der Repressionsapparate. Das, was sich in den desintegrierten, sozial und politisch fragmentierten gesellschaftlichen Bereichen sowohl an politischen, ökonomischen und sozialen Strukturen als auch an Ideologien ausbildet, hat in der Regel nichts mit Vorstellungen von sozialer Emanzipation und freier Individualität gemein. Die Frage, die sich den aus dem kapitalistischen Markt Herausgefallenen stellt, ist also nicht die nach Freiheit und Glück, sondern die nach dem bloßen Überleben. Und genauso roh wie die Fragen und die Bedingungen, unter denen diese gestellt werden, fallen auch die Antworten aus. Da die abstrakte Herrschaft des Kapitals sich gleichgültig gegen die Depravierten zeigt, bildet sich dort die Sehnsucht nach traditionellen Formen von Herrschaft aus, da in diesen das Moment der Schutzfunktion von Herrschaft stärker implantiert war. Die durch die Depravation erzeugte Regression führt so zu gesellschaftlichen Entwürfen, die der kommunistischen Utopie entgegengesetzt sind: nicht Abschaffung, sondern Personalisierung von Herrschaft, statt Aufhebung des stummen Zwangs kapitalistischer Ökonomie die Stiftung des gesellschaftlichen Zusammenhangs durch rohe Gewalt, anstelle von freier Assoziation die Herstellung barbarischer Gemeinschaften in völkischen oder religiösen Gewändern oder in bloß krimineller Gestalt. Von selbst dürfte sich dabei verstehen, dass die Protagonisten und Herrscher in diesen barbarischen Gemeinschaften regelmäßig nicht Opfer, sondern Nutznießer gesellschaftlicher Verelendungsprozesse sind.

Festzustellen bleibt hier zunächst, dass die neoliberale kapitalistische Weltordnung von zunehmender Barbarisierung gekennzeichnet ist. Soziale Verelendungsprozesse führen zur Ausbildung barbarischer Gemeinwesen, die wiederum mittels Drohung von oder Einsatzes realer drakonischer Gewaltanwendung unter Kontrolle zu halten sind. Ob und inwiefern die Auseinandersetzung zwischen den kapitalistisch integrierten Bereichen und den aus der Kapitalverwertung herausfallenden, zwischen Zentrum und Peripherie auch als eine zwischen Zivilisation und Barbarei diskutiert werden kann, soll weiter unten im Zusammenhang mit der Behandlung antideutscher Positionen genauer betrachtet werden. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass mit dem Anschlag von 9/11 die barbarische Rebellion in Gestalt der islamistischen Reaktion ihr verheerendes Potenzial eindrucksvoll unter Beweis stellte. In dem infolge der terroristischen Anschläge von 9/11 begonnen „Krieg gegen den Terror“ wird nicht nur eine bestehende Weltordnung verteidigt, sondern zugleich auch modifiziert. Im Rahmen der Auseinandersetzungen über den Irakkrieg sind einige ihrer konstitutiven Merkmale sichtbarer geworden – auch deshalb, weil sie in der „National Security Strategy of the Unitied States of America“ (NSS) programmatische Form angenommen hat.

 

Die NSS

Die NSS formuliert die grundlegenden Ziele der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Mittel zu ihrer Umsetzung. Die Präsentation der NSS im Vorfeld des Irakkrieges und die in diesem Zusammenhang geführten Auseinandersetzungen, vor allem im UN-Sicherheitsrat, haben die Rezeption dieses Papiers im Wesentlichen auf die Aspekte des unilateralen und präventiven Handelns fokussiert. Dagegen ist hier festzuhalten, dass mit der NSS ein systematischer Entwurf vorliegt, der im Laufe der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde und versucht, aus Sicht der USA Konsequenzen aus den weltpolitischen Veränderungen zu ziehen, die sich aus dem Ende des Kalten Krieges ergeben haben.

Sicherheits- und militärpolitisch stehen statt traditioneller Konflikte zwischen konkurrierenden Großmächten die neuen Gefährdungen in Form von Terrorismus, Proliferation von Massenvernichtungswaffen und „Schurkenstaaten“ im Vordergrund. Als Schlüssel für den Erfolg im Kampf um die Beseitigung dieser Gefährdungen wird eine enge Zusammenarbeit vor allem mit China und Russland angesehen. Das Verhältnis zu diesen Mächten bleibt jedoch ambivalent insofern, als ihre Gesellschaften ausdrücklich wachsen und gedeihen, dabei jedoch keinesfalls den Rang eines ernsthaften Konkurrenten erreichen sollen. In der NSS heißt es dazu: „Unsere Streitkräfte werden stark genug sein um potentielle Gegner davon abzuhalten, eine militärische Aufrüstung zu betreiben in der Hoffnung, die Macht der Vereinigten Staaten zu übertreffen oder mit ihr gleichzuziehen.“ Dass gesellschaftliche Entwicklung Voraussetzung für Sicherheit ist, kommt in der NSS in einem Passus zu 9/11 zum Ausdruck. Dieser habe gezeigt, „dass schwache Staaten wie Afghanistan eine ebenso große Bedrohung unserer nationalen Interessen sind wie starke Staaten. Armut macht aus armen Menschen keine Terroristen und Mörder. Doch Armut, schwache (staatliche) Institutionen und Korruption können schwache Staaten verwundbar gegen terroristische Netzwerke und Drogenkartelle machen.“ Der Kampf gegen Armut erhält zentralen Stellenwert, da eine Welt, in der über die Hälfte der Bevölkerung in Armut lebe, „weder gerecht noch stabil“ sei. Grund der Armut sind für die Autoren nun natürlich nicht Mechanismen des modernen Kapitalismus, sondern „Unfähigkeit arabischer Regierungen“ „schlechte Regierungsführung“, „zu hohe Staatsquoten“, „Bürokratie und Korruption“. Entsprechend der Beschreibung des Übels fällt auch die Rezeptur zu seiner Beseitigung aus. Ausbreitung von Marktwirtschaft und Freihandel sollen die Voraussetzung für die Herstellung von Wohlstand und Frieden bringen.

Die Kernaussagen der NSS zu den internationalen Beziehungen sind weitgehend bekannt. Die Souveränität der Staaten ist in drei Fällen einzuschränken: wenn Staaten Terroristen beherbergen und unterstützen; wenn Diktatoren staatliche Souveränität als Vorwand nutzen, um Genozid zu verüben, und wenn Staaten unter Bruch internationaler Abkommen nach Massenvernichtungswaffen streben. In diesen Fällen, die mit den primären Gefährdungsmomenten korrespondieren, sehen sich die USA legitimiert, sowohl präventiv als auch präemptiv Krieg zu führen. Das Völkerrecht ist nach Auffassung der USA in den Fällen, in denen ihr Handeln damit nicht in Übereinstimmung zu bringen ist, entsprechend „weiterzuentwickeln“. Die Rolle des UN-Sicherheitsrates – und das gilt allgemein für alle bestehenden internationalen Organisationen – hängt davon ab, inwieweit er sich die Gefahrenbeschreibung der USA zu Eigen macht, ihre Methoden zu deren Abwehr als richtige ansieht und konsequent über die Einhaltung seiner Beschlüsse wacht, d.h. notfalls auch gewillt ist, ihnen mit militärischen Mitteln zur Durchsetzung zu verhelfen. Eine UNO, die dazu nicht bereit oder in der Lage ist, ist eine, der das gleiche Schicksal vollständiger Bedeutungslosigkeit drohen soll wie dem Völkerbund in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts. Die USA hätten in diesem Fall die Macht und die Verantwortung, den Übergang in eine gewaltsame internationale „(Un-)Ordnung“ zu verhindern. In der NSS heißt es deshalb eindeutig: „Wenn es unsere Interessen und einzigartige Verantwortung erfordern, sind wir bereit, alleine zu handeln.“

 

Hegemonialer Internationalismus

oder Empire

Dass die neue Weltordnung des neoliberalen, globalen Kapitalismus eine unter der politischen Hegemonie der USA ist, liegt auf der Hand. In ihr kommt allein den USA Souveränität in dem Sinne zu, dass sie Geltung und Reichweite internationaler Regeln sowie den Krisenfall („Ausnahmezustand“) bestimmen und die Unterscheidung zwischen Freund und Feind wie die damit verknüpfte Entscheidung über den Einsatz von Gewalt treffen. Da Hegemonie für eine solch umfassende Macht ein doch recht schwacher Begriff ist, hat sich in den letzten Jahren die Sprache von einem „(American) Empire“ stark verbreitet. Der Direktor des neokonservativen Olin Institute for Strategic Studies an der Harvard University, Stephen Peter Rose, der im DoD und dem Nationalen Sicherheitsrat der USA arbeitet, hat Mitte 2002 die zugrunde liegenden Annahmen dieser neuen militärischen Weltsicht treffend zusammengefasst:

 

„Die Vereinigten Staaten haben keinen Rivalen. Überall in der Welt besitzen wir die militärische Dominanz. Unsere Militärausgaben übertreffen jene der nächsten sechs oder sieben Mächte zusammengenommen und wir haben ein Monopol in vielen fortgeschrittenen oder nicht so modernen Militärtechnologien. Wir, und nur wir, formen und führen Militärkoalitionen in den Krieg. Wir benutzen unsere militärische Dominanz, um in die inneren Angelegenheiten anderer Länder zu intervenieren, weil die Einheimischen einander umbringen, Feinden der Vereinigten Staaten Zuflucht bieten oder atomare oder biologische Waffen entwickeln. Eine politische Einheit, die eine überwältigende militärische Überlegenheit besitzt und diese benutzt, um die inneren Angelegenheiten anderer Staaten zu beeinflussen, wird Empire genannt. Da die Vereinigten Staaten nicht darauf aus sind, Territorien zu kontrollieren oder die überseeischen Bürger des Empire zu regieren, sind wir sicherlich ein indirektes Empire – aber nichtsdestotrotz ein Empire. Wenn dies zutrifft, dann ist auch Ziel nicht der Sieg über einen Rivalen, sondern die Aufrechterhaltung unserer imperialen Position und der imperialen Ordnung. Die Planung für imperiale Krieg unterscheidet sich von der Planung konventioneller internationaler Kriege. Im Verhältnis zur Sowjetunion musste Krieg vermieden werden: Kleine Kriege durften nicht eskalieren oder uns von der Hauptaufgabe abhalten, Europa oder Japan zu verteidigen. Im Ergebnis wurde militärische Macht nur inkrementell angewandt. Imperiale Kriege zur Wiederherstellung der Ordnung sind dagegen nicht so eingeschränkt. Maximale Gewalt kann und sollte aus psychologischen Gründen so schnell wie möglich eingesetzt werden, um zu demonstrieren, dass bestraft wird, wer das Empire herausfordert. Während des Kalten Krieges haben wir uns nicht sonderlich bemüht, kommunistische Regierungen zu stürzen. Nun allerdings stecken wir mitten im Geschäft, feindliche Regierungen zu stürzen und Regierungen zu schaffen, die günstig für uns sind. Die einst üblichen internationalen Kriege wurden beendet und die Truppen gingen nach Hause. Imperiale Kriege enden ebenfalls, aber Garnisonen des Empire müssen noch Jahrzehnte lang bleiben, um Ordnung und Stabilität zu sichern. Das ist es, das wir erstmals auf dem Balkan und nun in Zentralasien zu sehen bekommen. Zusätzlich zu fortgeschrittener Waffentechnologie verlangt eine imperiale Position eine große, leicht bewaffnete Bodentruppe als Garnisonskraft und Rückversicherung für Verbündete, die aus symbolischen Gründen amerikanische Streitkräfte auf ihrem Territorium haben möchten. Und endlich konzentriert sich imperiale Strategie darauf, die Entstehung mächtiger und feindlicher Herausforderer zu verhindern: durch Krieg, wenn nötig, durch Assimilierung in das Empire, wenn möglich.”

 

Die gegenwärtige Macht der USA und die Logik des neoliberalen globalen Kapitalismus stehen in einem vielfachen Entsprechungsverhältnis zueinander. Die kapitalistische Ordnung, und das machte sie zu einer historisch fortschrittlichen, ist eine des vor allem stummen Zwangs der ökonomischen Verhältnisse –unmittelbare Gewalt wird in ihr nur ausnahmsweise angewandt – und des Vertrags, des Geldes und des Rechts. Die abstrakte Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz und dem Kapital gründet in der Absehung von ihren Eigenschaften als Individuen und der Reduktion eben dieser auf Rechtssubjekte sowie Waren- und Geldbesitzer. Damit der aus der Konkurrenz aller gegen alle dem Einzelnen aufgeherrschte Zwang ein stummer bleibt, ist das Gewaltmonopol des Staates Vorraussetzung. Die bürgerliche Konkurrenzgesellschaft wird befriedet nur durch die Monopolisierung der Gewalt.

Aus der Notwendigkeit, die internationalen Beziehungen zwischen Nationalstaaten zu kodifizieren, folgt sowohl Grund als auch die auf eben diesen Grund beschränkte Geltung des Völkerrechts. Da es ein internationales Gewaltmonopol nicht gibt und im Rahmen prinzipiell souveräner Staaten auch nicht geben kann, ist die Reichweite und Geltung des Völkerrechts bestimmt sowohl durch die internationale Staatengemeinschaft als auch durch die ihr angehörigen Einzelstaaten, da diese ihr Verhältnis zu dieser Staatengemeinschaft grundsätzlich frei bestimmen können. Wie für jedes Recht ist auch für das Völkerrecht das Verbot nicht legitimierter Gewaltanwendung konstitutiv, hier in Form des Verbots eines nicht von den zuständigen UN-Gremien beschlossenen Angriffskrieges. Das Völkerrechts schützt so im Grundsatz das Gewaltmonopol der einzelnen Staaten und garantiert insoweit ihre Souveränität.

Diese staatliche Souveränität und das mit ihr verbundene Verbot des Angriffskrieges stehen mit der NSS der USA zur Disposition. Dass in der NSS dafür Gründe beigebracht werden, die vielleicht sogar zunächst einsichtig erscheinen, vermag wenig weiterzuführen, wenn im Falle des Irakkrieges sich zeigte, dass eben die Auseinandersetzung, ob denn im Einzelfall die behaupteten Tatbestände diesen Gründen entsprechen, als relevante nur im exklusiven Kreis der US-Administration geführt werden. Der Gestus, sich nicht weiter legitimieren zu müssen, und die Beliebigkeit der Gründe, die für die Notwendigkeit eines Krieges gegen den Irak angeführt wurden, stehen im deutlichen Widerspruch zu Essentiales der Zivilisation, die die USA mit diesem Krieg zu verteidigen vorgaben. Mit Methoden, die an subjektive Willkürherrschaft erinnern, lässt sich eine bürgerliche Zivilisation als eine der Herrschaft eines objektiv Allgemeinen nicht verteidigen. Aus diesem Selbstwiderspruch des von der Koalition der Willigen geführten Krieges gegen den Irak resultiert auch die Schwierigkeit, den politischen Zweck des Krieges, der nach Clausewitz niemals im militärischen Sieg, sondern in der Gewinnung eines guten Friedens liegt, zu erfüllen.

 

 

II

 

Antikriegsbewegung

 

Die Antikriegsbewegung ist wie jede Bewegung eine aus vielen, mitunter sogar disparaten, Teilen zusammengesetzte, über die deshalb ein allgemeines Urteil nur bedingt etwas über ihre je besonderen Teile sagt und – vice versa – Sätze über einzelne ihrer Teile nur eine beschränkte Gültigkeit für die gesamte Bewegung haben. Die gewichtigsten Teile der Opposition gegen die von den USA angeführte Koalition der Willigen bildeten die unwilligen Staaten. Für den aus der Triade Paris – Berlin – Moskau gebildeten Kern dieser Staaten handelte der Konflikt zentral um die Reichweite ihrer Macht bei der Bestimmung der internationalen Agenda und den Umfang ihrer in diesem Prozess bestehenden Souveränität. Nicht die Notwendigkeit des Einsatzes auch militärischer Gewalt zur Aufrechterhaltung der internationalen Ordnung ist hier strittig, sondern die Mechanismen zur Festlegung der Gründe und des Umfangs militärischer Intervention. Es ging, in den Worten Gerhard Schröders, um unilaterale oder multilaterale internationale Ordnung, und, wie in dem Satz, dass die deutsche Politik in Berlin bestimmt wird, zum Ausdruck kommt, um Souveränität. Wie sehr diese als prekär begriffen wurde, zeigt die Bereitschaft Schröders, den belastenden Terminus vom „deutschen Sonderweg“ zu verwenden. Das für die unwilligen Staaten das internationale und Völkerrecht nicht die Rolle spielte, die es für die nicht staatlichen Teile der Antikriegsbewegung hatte, über die im Folgenden zu sprechen sein wird, mag daran liegen, dass die Notwendigkeit internationalen Rechts an sich auch von den die Koalition der Willigen bildenden Staaten nicht bestritten wurde. Dass über Qualität wie Geltung völkerrechtlicher Normen als eben nicht mit einem Gewaltmonopol versehene immer in einer Konstellation entschieden wird, in der je unterschiedliche Teilnehmer ihre spezifischen Interessen durchsetzen wollen, versteht sich dabei für alle Handelnden ebenso von selbst wie die Tatsache, dass die Durchsetzung der Interessen immer von der Macht, die dafür eingesetzt werden kann, abhängig ist.

 

Für den in der deutschen Friedensbewegung sich versammelnden Teil der Antikriegsbewegung bildete die Völkerrechtswidrigkeit des Krieges gegen den Irak die alle Fraktionen umfassende Klammer. Zu kritisieren ist an diesem erkennbar einzigen Konsens der Bewegung, dass allein die Feststellung einer Verletzung des Völkerrechts zu der Beurteilung eines Konflikts keineswegs ausreicht. Dies soll im Folgenden anhand einiger Beispiele verdeutlicht werden, in denen unseres Erachtens sinnvolle und gebotene militärische Interventionen eindeutige oder nach heutigen Maßstäben eindeutige Verletzungen des Völkerrechts enthielten. So kann wenig Zweifel daran bestehen, dass die viel zu spät erfolgte Kriegserklärung von Frankreich und Großbritannien an das nationalsozialistische Deutschland durch das wegen besonderer Interessen in der Polenfrage zu erwartende Veto seitens der Sowjetunion nach heutigem Recht rechtswidrig gewesen wäre. Hierbei ist natürlich einzugestehen, dass die Konstruktion der fünf Vetomächte erst zweifelhaftes Resultat des Zweiten Weltkrieges war. Bedenklich ist neben dem Umstand der Privilegierung als solchem jedoch auch der, dass ausgerechnet die fünf Vetomächte zum Zeitpunkt ihrer Installation samt und sonders Hegemonial- oder Kolonialmächte waren, die nicht im Traum daran dachten, den Staaten in ihrem Machtbereich volle Souveränität zukommen zu lassen. Genau die das eigene Staatsterritorium deutlich übersteigende und so die Souveränität Anderer einschränkende Macht konstituierte die Vetokonstruktion als eine, in der hegemoniale Interessen zur Geltung gebracht werden konnten. Dass solche Interessen sich im Zweifelsfall gegen entgegengesetzte ethisch begründete Urteile durchsetzen, versteht sich von selbst. So hinderte beispielsweise die USA ihr eigenes moralisches Urteil, wonach Pol Pot der „größte Schänder der Menschenrechte auf der Welt sei“, keineswegs daran, ihn im Konflikt mit Vietnam beizustehen, „weil es unseren Sicherheitsinteressen diente“.

Betrachtet man die Geschichte der UN indes unter der Prämisse einer Gleichberechtigung aller Staaten, so ergibt sich auch kein lichteres Bild. So forderten, um bei Pol Pots Roter Khmer zu bleiben, von den 15 Staaten des UN-Sicherheitsrats 13 Vietnam auf, das kambodschanische Territorium zu verlassen. Die UN-Menschenrechtskommission nannte 1981 den zehn Jahre zuvor an den Bengalen Ostpakistans begangenen Völkermord den schlimmsten der Geschichte. In 265 Tagen schlachteten islamistische Milizen und die pakistanische Armee wenigstens eineinhalb, wahrscheinlich aber drei Millionen Menschen ab; während des Gemetzels wurden zudem zehn Millionen nach Indien vertrieben. Als die indische Armee unter dem Vorwand, von Pakistan angegriffen worden zu sein, die Grenzen überschritt und innerhalb von weniger als einem Monat die Völkermordhorde zur Kapitulation zwang, forderte während dieser Intervention die UN-Vollversammlung bei einer Gegenstimme und zehn Enthaltungen die indische Armee zum Rückzug auf. Nun ließen sich den beiden genannten leicht weitere, wenngleich nicht ganz so gravierende Beispiele hinzufügen. Der Umstand, dass die despotischste Herrschaft sich sicher sein kann, sich vor der so genannten Völkergemeinschaft ungehemmt austoben zu können, solange sie ihre Exzesse nur auf eigenem Territorium ausübt, liegt in dem Umstand begründet, dass für die Staaten ihre Souveränität das größte Gut ist.

Dass dies auch für die staatlicher Herrschaft unterworfenen Menschen so sein soll, versteht sich nun alles andere als von selbst, bedeutete dies doch, Individuum und Staat als Einheit zu begreifen. Für den Einzelnen ist selbstverständlich statt staatlicher Souveränität das eigene Leben das höchste Gut, welches mitunter gerade durch den staatlichen Souverän bedroht ist. Darüber, dass dies im Irak unter Saddam Hussein der Fall war, besteht allgemeiner Konsens. In der Friedensbewegung bestand aber auch Konsens darüber, dass der Sturz des Saddam-Regimes nur durch die irakische Bevölkerung und keinesfalls durch Intervention ausländischer Mächte erfolgen darf. Dass diese Bevölkerung weder in der Lage war noch irgend absehbar in die Lage kommen würde, den Sturz des Despoten zu bewerkstelligen, war der Friedensbewegung kein ernsthaftes Problem. Wohlfeil wurde der Bevölkerung die Solidarität der Friedensbewegung in ihrem offensichtlich aussichtslosen Kampf gegen das Regime versichert. Damit half man zwar dieser nicht, machte sich aber das gute Gewissen, das man braucht und entledigte sich aller Zweifel, die hinderlich sind, um kategorische Urteile fällen zu können. Und so tönte es denn aus den Reihen der Friedensbewegung: „Dieser Krieg ist ein Verbrechen an den Menschen. Dieser Krieg ist Massenmord an unschuldigen Kindern, Frauen und Männern. Ihr Leiden rüttelt das Weltgewissen.“ (PDS-Vorstand) „Es geht um einen Krieg gegen alle, die ein besseren Leben in Frieden erhoffen und dafür kämpfen.“ (Rosa Luxemburg Stiftung) „Die Bush-Administration opfert mit ihrem Krieg das Völkerrecht. (...) Sie verhindert die Lösung des Konfliktes Israel – Palästina. Sie macht sich verantwortlich für den Tod von Millionen unschuldiger Menschen. (...) In dem Überfall auf den Irak steckt die Gefahr eines Atomkrieges! (...) Kriege mit Atomwaffen gehören wieder in das Arsenal der imperialistischen Strategie.“ (DKP) „Der Krieg hat unermessliches menschliches Leid gebracht, und er tut es immer noch. Er hat jede Staatlichkeit beseitigt. Es herrscht Chaos im Irak. (...) Der Abzug der alliierten Truppen ist die Voraussetzung der Wiederherstellung der staatlichen Souveränität im Irak.“ (Friedensplenum Mannheim)

Die Stellungnahmen aus der Friedensbewegung produzieren den Eindruck, dass mit der militärischen Intervention für die irakische Bevölkerung erst so recht der Schrecken einkehrt. Insbesondere das Mannheimer Friedensplenum vermittelt eine Sicht, wonach eine mörderische Ordnung, sofern sie nur eine „eigene“ ist, besser als keine oder eine „fremde“ ist. Nur unzureichend stellt sich die Friedensbewegung der Frage, ob der Frieden im Vorkriegsirak nicht ein falscher, weil bloß eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln war. Der Krieg, der hier mittels des falschen, da durch ein mörderisches Embargo gestützten Friedens weitergeführt worden wäre, wäre der 1990 durch den Überfall des Iraks auf Kuwait ausgelöste. Und auch die Kritik, die Teile der Friedensbewegung an diesem Embargo leisteten, führt nicht weiter, da das Embargo nur die Folge auf den Verzicht der gewaltsamen Beseitigung des Saddam-Regimes war. Der Gedanke, dass mit der militärischen Intervention im Irak dort der Krieg nicht erst einkehrt, sondern auf einen schon bestehenden Kriegszustand trifft, dass die Situation sich mithin in einer Dichotomie von Krieg und Frieden gar nicht begreifen lässt, ist der Friedensbewegung in ihrem polaren Krieg-Frieden-Denken nicht einsichtig.

Die sehr deutsche Einsicht der deutschen Friedenbewegung, dass es nichts Schlimmeres als den Krieg gibt, erwächst ihr ausgerechnet aus der zeitgleich in Bestsellern über Bombenkrieg auf deutsche Städte und Vertreibung aufgefrischten bzw. vermittelten Erfahrung des Zweiten Weltkrieges. Sie speist den notorischen Vergleich von Bagdad mit Dresden. Ein Vergleich, der zunächst völlig widersinnig erscheint. Ist doch Saddam Hussein nicht, wie Enzensberger meinte, gleich Hitler, war auch die irakische – sehr ungleich der deutschen – Bevölkerung nicht gewillt, bis zum Letzten für den Erhalt eines Regimes zu kämpfen, dem die irakische auch viel weniger als die deutsche Bevölkerung durch Zuneigung und Verbrechen verbunden war. Die deutsche Vorstellung der Bindung von Volk und Führer war auch allen, mit dem Gestus tiefer Betroffenheit notdürftig bemäntelten, aber zugleich spürbar frohlockenden Prognosen über einen massenmörderischen Kriegsverlauf mit finalem Häuserkampf in Bagdad unterlegt. Ist Bagdad ebenso wenig Dresden wie der Irak Deutschland, so besteht die Pointe der Vergleichs eben darin, dass, wenn er zuträfe, über die Berechtigung die Irakkrieges vonseiten der Alliierten kein Zweifel bestehen könnte. Insbesondere in Deutschland muss bekümmern, wenn unvermittelt und eben deshalb auch unbegriffen nebeneinander steht, den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus zu begehen und zugleich die Voraussetzung dieser behaupteten Befreiung, den zwar verspätet aber siegreich geführten Krieg der Alliierten gegen das/ihr nationalsozialistische(s) Deutschland nicht als notwendiges, sondern als das Übel schlechthin zu begreifen. In dem Umstand, dass in Deutschland aus der Erfahrung von Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg nicht gelernt wurde, dass es sehr wohl Schlimmeres als den Krieg gibt und in diesem Fall dem Schlimmeren nur durch Krieg, der damit zum gerechtfertigten wird, begegnet werden kann, ergibt sich das reine Skandalon, dass für die Deutschen am Nationalsozialismus eben der Krieg das Schlimmste war. In dem Vergleich von Bagdad mit Dresden ist deshalb nicht die Frage enthalten, ob das, was seinerzeit nötig war, auch jetzt wieder notwendig sein könnte, sondern die deutsche Gewissheit, dass das, was damals ein Verbrechen war, auch jetzt wieder eines ist.

Auf dieser Grundlage wird in Deutschland Antiamerikanismus wieder virulent. Charakteristisch für ihn ist nicht die Kritik von globalen Kapitalismus und US-amerikanischer Politik, sondern ihre Identifizierung. Wurde oben von uns versucht den Zusammenhang von kapitalistischer Globalisierung und US-amerikanischer Politik auf dem Boden der sachlichen Herrschaft des kapitalen automatischen Subjekts zu skizzieren, so wird im antiamerikanischen Stereotyp dieses hochkomplexe Verhältnis runtergebrochen auf eine simple Kausalität, nach der Verelendungsprozesse als Folge des neoliberalen Kapitalismus nur durch US-amerikanische Politik verursacht werden. Der Ausfall der Reflektion, der in der „Dialektik der Aufklärung“ als das Pathische der antisemitischen Projektion dingfest gemacht wird und die daraus folgenden falschen Identifizierungen und Personalisierungen kennzeichne auch den dem Antisemitismus strukturell verwandten Antiamerikanismus. Seine zahlreichen Ausdrucksformen aufzuzählen ist müßig, sie beginnen bei der Rede vom anglo-amerikanischen Kapitalismus und enden bei der Behauptung, dass mit 9/11 die USA das nur zurückbekommen haben, was sie selbst in die Welt setzten. Das von Marx konstatierte „Bedauern der Reaktionäre“ findet sich im Antiamerikanismus, wenn, wie aktuell auch im Irak, regelmäßig das Heimische, wie grauenhaft es sich auch immer darstellen mag und abzeichnet, dem Vorzug gegenüber einem „Fremden“ gegeben wird. So zweifelhaft auch immer die militärische Intervention seitens der „Koalition der Willigen“ gewesen sein mag – zweifelhaft deshalb, weil den im ersten Teil dargelegten und kritisierten Gründen gegenüberstand die schwache und durch die Art des folgenden Besatzungsregimes weitgehend verspielte Möglichkeit, das aus schlechten Gründen vollzogene Handlungen zu einer Verbesserung der Situation der Menschen im Irak führen können –, so wenig Zweifel kann doch daran bestehen, dass von allen Szenarien das übelste in einem Sieg des Hussein-Regimes bestanden hätte. In der aus der Friedensbewegung unmittelbar nach dem militärischen Einmarsch kommenden Forderung nach einem bedingungslosen Abzug der Interventionstruppen drückt sich ein Wahn aus, dem kein Preis zu hoch ist für eine Niederlage der verhassten USA.

Diese USA als vor allem imperialistisch zu begreifen ist problematisch allein schon deshalb, weil man ohne Begriff bekanntlich nichts begreifen kann und man über den der Bezeichnung Imperialismus zugrunde liegenden Begriff bestenfalls nichts zu hören bekommt. Im schlechteren Fall sieht man sich regelmäßig mit Verweisen auf Lenins Imperialismusschrift konfrontiert, ein Vorgang, an dem erstaunlich weniger der Verweis auf eine schon immer fragwürdige Theorie ist als der Umstand, dass dieser zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem diese noch nicht einmal Momente des Anscheins auf ihrer Seite hat. Lenin begriff Imperialismus als ein bestimmtes Stadium des Kapitalismus, weshalb in seiner Schrift von der Kritik der politischen Ökonomie die Rede ist und nicht ein Lamento über die mangelnde Moral kapitalistischer Mächte sich findet. Die, wenngleich im Ergebnis unzutreffende, so doch immerhin vollzogene begriffliche Entwicklung des Terminus „Imperialismus“ hat Auswirkungen auch auf die Bestimmung des Antiimperialismus. Lenin wusste zumindest noch: „Wer nicht in nationalistischen Vorurteilen versumpft ist, kann nicht umhin, in diesem, durch den Kapitalismus bewirkten Assimilationsprozess der Nationen einen gewaltigen geschichtlichen Fortschritt, die Beseitigung der nationalen Verknöcherung der verschiedenen Krähwinkel zu sehen“. Darüber hinaus betonte er auch die „Notwendigkeit (...), den Panislamismus und ähnliche Strömungen zu bekämpfen“. Denn dieser wolle den Kampf gegen den Imperialismus, so Lenin weiter, „mit einer Stärkung der Khane, der Gutsbesitzer, der Mullahs usw. verknüpfen“. Dass damit selbstverständlich der Lenin’sche Antiimperialismus nicht gerettet werden kann, wird schon deutlich, wenn die Komintern den in diesem Zusammenhang zentralen Begriff der „unterdrückten Nation“ bereits in den 1920er-Jahren auch dafür verwandte, um ausgerechnet den Status Deutschlands infolge des Versailler Vertrages zu bezeichnen. In dem dadurch legitimierten heftigen und widerlichen Nationalismus der deutschen KP zeigten sich schon in der Weimarer Republik – beispielsweise in der zu traurigem Ruhm gekommenen „Schlageter-Rede“ Karl Radeks aus dem Jahre 1923 –, welche ideologischen Verheerungen dem Antiimperialismus eingeboren sind.

Das Problematische, die Weltmachtpolitik der alleinigen Weltmacht USA als imperialistisch zu bezeichnen, wird jedoch umgehend zum Skandal, wenn dieser diffuse Imperialismus der USA wesensgleich gesetzt wird der Expansionspolitik des nationalsozialistischen Deutschland. So lässt sich in der Ausgabe der „Sozialistischen Zeitung“ (SoZ) vom April 2003 nachlesen, dass die USA im Zweiten Weltkrieg lediglich den deutschen Kapitalisten zu Hilfe kam, um sie in dem Sattel zu halten, aus dem sie Zorn und Rache der deutschen Antifaschisten zu werfen drohte. Wie der SoZ offensichtlich seit Dimitroff hinlänglich bekannt ist, war der deutsche Nationalsozialismus im Kern nichts anderes als „die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Kräfte des Finanzkapitals“. So betrachtet kann die SoZ feststellen, dass sich „all jene Antifaschisten auf dem Holzweg befinden, wenn sie zwischen dem sog. Dritten Reich und den Zielen der Westalliierten im Zweiten Weltkrieg einen scharfen Gegensatz aufbauen“. Ist also der mutmaßlich aus den WTC-Türmen und dem Pentagon gesteuerte US-Imperialismus wesensgleich dem deutschen Nationalsozialismus – „USA – SA – SS“ lautsprechte man bekanntlich mitunter in nicht nur seligen APO-Zeiten –, so ist das deutsche Volk, wie jedes Volk, weitgehend frei von Schuld. Um aber nicht nur von Schuld, sondern wirklich frei zu sein – das heißt für die SoZ wie für den orthodoxen Parteikommunismus als auch für den Nazi, vom Finanzkapital frei zu sein –, bedarf es vermutlich vor allem des Kampfes gegen die USA, die dieser Freiheit ja bereits 1945 entscheidend im Weg standen. Vermutlich um diesen Kampf führen zu können, wird an anderer Stelle in der gleichen Ausgabe erwogen, dass, wenn überhaupt, Atomwaffen in die Hände der kleinen Staaten gehörten, damit sie die militärische Überlegenheit der großen auszugleichen in der Lage sind.

Das Rekurrieren auf vorgebliche und zudem auch noch angeblich zu schützende Identitäten, seien sie kultureller, nationaler oder sonstiger Abart, ist kennzeichnend für eine Szene, in der Pseudobauern wie José Bové durch Zertrümmerung eines McDonald-Ladens reüssieren oder linke Intellektuelle wie Franz Schandl sich nicht entblöden, die Verdrängung der einheimischen Limonade durch Coca-Cola zu beklagen. Hat der Bezug auf Heimisches an sich schon etwas Tümelndes, so gerät die Sache endgültig auf eine abgründige Bahn, wenn das Heimische und das Amerikanische in einen Gegensatz gebracht werden. So „übersetzt“ der Attac-Vordenker Ignacio Ramonet regelmäßig in seinen Leitartikeln in „Le Monde diplomatique“ das Vordringen neoliberaler Politik und sozialer Entgarantierung als „die Amerikanisierung der Welt“; im Frühjahr 2000 überschrieb er ein Editorial entsprechend mit „Amerika in unseren Köpfen“.

Solange antiamerikanische Stereotype fester Bestandteil des rhetorischen und propagandistischen Arsenals von Friedensbewegung und Attac sind, deren enge Zusammenarbeit im Rahmen der Auseinandersetzung um den Irakkrieg zumindest im Lager der Friedensbewegung als bedeutende strategische Leistung abgefeiert wurde, bleibt die Distanzierung gegenüber der dezidierten Rechten ein immer wiederkehrendes, ebenso notwendiges wie vergebliches Geschäft. Vergeblich deshalb, weil originär rechte Inhalte und Denkformen Anziehungskraft auf Rechte immer haben und behalten werden. Der Kampf von friedensbewegten und globalisierungskritischen Linken gegen die Ausbildung von rot-braunen Querfronten im eigenen Milieu ist deshalb völlig unzureichend. Notwendig ist darüber hinaus die ernsthafte Beschäftigung mit der Frage, welche Inhalte und Ausdrucksformen die nach eigenem Verständnis linke Protestbewegung für die Rechtsradikalen so interessant macht. Selbstverständlich müsste die Einsicht sein, dass es eine stärkere Kritik an linker Theorie und Praxis wie die, für Rechtsradikale anschlussfähig zu sein, nicht geben kann.

 

 

III

 

Antideutsche Bellizisten

 

Die oben an der deutschen Friedensbewegung geleistete Kritik speist sich aus einem antideutschen Diskurs, der in großen Teilen selbst zu kritisieren ist. Kennzeichnend für antideutsche Positionen ist ihre zentrale Bezugnahme auf den Nationalsozialismus, der regelmäßig als eine in doppelter Weise aus dem Kapitalismus entsprungene Gesellschaftsformation begriffen wird. Doppelt entsprungen bezeichnet in einem sowohl die Abkunft des Nationalsozialismus aus dem Kapitalismus als auch den Umstand, dass beide unterschiedene Gesellschaftsformationen sind. Ist dem Kapital wesentlich die, wie es im kommunistischen Manifest heißt, „fortwährende Revolutionierung sämtlicher gesellschaftlicher Verhältnisse“ und – damit verbunden – die „ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände“, so lässt sich der Nationalsozialismus als eine Antwort auf einen gesellschaftlichen Zustand begreifen, in dem die dem Kapital eigene Bewegung zur nachhaltigen Erschütterung des Kapitalverhältnisses geführt hat. Eine Antwort freilich, die einer kommunistischen, d.h. einer vom Individuum ausgehenden freien Assoziation diametral entgegengesetzt ist und deren oberste Maxime die aus konkretionswütigem Identifizieren hervorgehende Herstellung identitärer Gemeinschaft ist. In ihr soll nicht mehr die Bewegung des Werts die Synthesis der Gesellschaft leisten, sondern der Führer und sein Wille soll maßgebend für die Stiftung der volksgemeinschaftlichen Einheit sein. Sein starker Arm soll richten, was zu richten Adam Smith’ „invisible hand“ nicht in der Lage ist. Dem „Aufstand des Lebensgefühls des deutschen Volkes gegen die Tatsache, dass das gesamte Leben des Volkes durch die wirtschaftliche, durch die materielle Existenz bestimmt worden sei“, was nach Bernhard Köhler, dem Leiter der Wirtschaftskommission der NSDAP, der Nationalsozialismus „von Anfang an“ war, fielen diejenigen zum Opfer, die das Übel der kapitalistischen bzw. an der kapitalistischen Vergesellschaftungsweise für die Nationalsozialisten personifizierten. Hinter der undurchschauten und unbegriffenen abstrakten Herrschaft des Kapitals als sich selbst verwertender Wert wurde der Jude als wahrer Grund und Stifter der kapitalistischen Misere aus- und als das dem Deutschen gegenüber feindliche Prinzip kenntlich gemacht. Die nicht mehr durch den Wert vermittelte Gesellschaft, sondern die im und durch den Führer kurzgeschlossene deutsche Volks- und Gefolgsgemeinschaft erschöpfte sich im Folgenden wesentlich im Vernichtungskampf gegen alles sowohl im rassisch biologischen als auch im ideologischen Sinne verstandene Nichtdeutsche.

Da nicht Verwertung, sondern Vernichtung, statt Ausbeutung Ausrottung im Zentrum des Nationalsozialismus stand, lässt er sich nur als Vernichtungswesen fassen. Damit sollen weder die allerdings bloß gewaltig zu nennenden ästhetischen Inszenierungen des Nationalsozialismus, seine volksgemeinschaftlichen Fest- und Feiertage unterschlagen werden, noch seine infantil idyllischen Momente, in denen er sich von seiner heimelig-gemütlichen Seite zeigte, wie zum Beispiel anlässlich eines Aufenthalts des Führers im Hotel „Zum Elefanten“ in Weimar, als vor diesem die dort zahlreich versammelten Volksgenossen am Ort deutscher Dichtkunst reimten „Lieber Führer, komm heraus, aus Deinem Elefantenhaus“. All dies bildet nur Ornament eines Vernichtungswesens, welches dieses nicht milder, sondern nur grauenhafter macht. Nicht ausgeblendet ist schließlich der nach 1945 so oft beschworene nicht nationalsozialistische, „im Innern anständig gebliebene“ Deutsche, weil es für ihn aus der maßgebenden Perspektive der Opfer im deutschen Nationalsozialismus keinen Platz gibt. Für die der nationalsozialistischen Herrschaft Unterworfenen war jeder Angehörige der deutschen Volksgemeinschaft einer, dessen Blicke man meiden sollte und bei dessen Anblick immer mit dem Schlimmsten zu rechnen war.

Die Deutschen kämpften zwar bis zur vollständigen Erschöpfung aller Ressourcen und ließen sich dabei auch von den Trümmern, in die sich ihre Behausungen zunehmend verwandelten, nicht nachhaltig aufhalten, aber nicht bis zu dem für sie von ihrem Führer im Fall der Niederlage vorgesehenen vollständigen Untergang. Die überlebenden Volksgenossen hatten zwar ihren Führer samt zahlreicher Unterführer, materielle Güter in beträchtlichem Umfang, zudem die Allermeisten gar des Lebens Sinn und Orientierung verloren, aber nicht das Leben selbst. In diesem erlebten sie danach anstelle des mit Grund befürchteten blauen Wunders entweder ein rotes oder ein Wirtschaftswunder. Im roten Wunder bekamen sie zu hören, dass der Nationalsozialismus eine Veranstaltung der deutschen Groß- und Monopolkapitalisten sowie des deutschen Imperialismus unter der Regie der von diesen eingesetzten faschistischen Führung war. Da, so hieß es weiter, dessen erstes Opfer das deutsche Volk, zumindest im Großen und Ganzen, gewesen sei, konnte man sich etwas ungläubig und vorsichtig wieder einreihen in die offiziös antifaschistische neue „Nationale Front“. Im Wirtschaftswunder, zu dem man in verdrehter und unfreiwilliger Weise einen Beitrag geleistet hatte, da das Erfordernis, das nationalsozialistische Deutschland zu besiegen, zum Resultat hatte, dass sich auch die Krise des Weltkapitalismus erschöpft hatte und die versiegten Akkumulationsquellen wieder zu sprudeln begannen, bekam man stattdessen zu hören, dass von allem das Schlimmste der Kommunismus sei – was man aber schon wusste und wodurch sich nur zeigte, dass der Führer keinesfalls in allem Unrecht hatte –, und dass die Geschichte mit den Juden eine vollständig unverständliche und monströse Entgleisung gewesen ist, die „wiedergutgemacht“ werden muss und infolgedessen wohl auch kann.

Eine Kritik, die ihren Namen verdient, hat mit einem Projekt der Wiedergutmachung, dem im Übrigen der „Schlussstrich“ logisch innewohnt, da mit dem Verbrechen ja auch in gleichem Maße das dieses verübende Volk wiedergutgemacht werden soll, nichts zu schaffen. Für sie ist der Nationalsozialismus weder ein Un- oder unerklärbarer Einfall der bürgerlichen Nationalgeschichte in spezifisch deutscher Gestalt, sondern ihr Fall, durch bzw. über den diese schreitet. Ein Fall, in dem aus den kapitalen Prinzipien bürgerlicher Vergesellschaftung das völkische Gegenprinzip erwächst. Ein Fall, in dem aus dem nach Maßgabe des Kapitals erfolgenden fortwährenden Umsturz der bürgerlichen Verhältnisse ihr Einsturz folgt und in dem die diesem Zusammenbruch immanente, alle sozialen Klassen betreffende Deklassierung weiter Teile der Bevölkerung die materielle Prädisposition zur entstehenden Volksgemeinschaft bildete: einer Volksgemeinschaft, in der die sozialen Klassen des Kapitalismus nicht abgeschafft, aber ihrer kapitalen Funktion enthoben sind; einer Gemeinschaft, in der die Warenbesitzer nicht mehr frei über ihre wesentlich unterschiedlichen Waren verfügen können, sondern diese nach den Imperativen der Volksgemeinschaft zum Einsatz kommen. Diese Imperative, ergeben sich aus den negativen Grundlagen der deutschen Volksgemeinschaft. Ihr Ausgangspunkt ist die Pleite, die gemäß den ökonomischen Gesetzen des Kapitalismus nicht den Beginn, sondern das Ende bedeuten sollte. Indem der Kapitalismus in Deutschland die Krise nicht ratifiziert, sich vielmehr um den Kern der bereits 1931 in der „Harzburger Front“ mit der NSDAP assoziierten bankrotten Teile des Großkapitals – der so genannten Fronde der faulen Debitoren – neu organisiert, transformiert er sich in ein Gebilde, in dem das Wertgesetz explizit keine Gütigkeit mehr besitzt. In ein Gebilde, das aus der Zusammenbruchskrise des Kapitalismus entstand, aber nicht den Kapitalismus, sondern dessen Krise aufhob, dies nur konnte, indem es die kapitalistische Dialektik sprengte, in deren Rahmen die mögliche Pleite ein dynamisches Moment eben deshalb ist, weil das von dieser betroffene Kapital als solches erledigt ist, in ein Gebilde also des negativen, des nicht mehr produktiven Kapitals, dem sich die noch als Kapital funktionierenden Teile des Kapitals nolens volens anschließen müssen. Mit dem Nationalsozialismus trat so die in keiner Theorie gedachte und in keinem Plan vorgesehene negative Aufhebung des Kapitals in die Welt. Sein Verhältnis zu ihr ist feindlich in einem umfassenden Sinne, weshalb er sein Sein von vornherein als bloßen Existenzkampf, als „Lebenskampf der deutschen Nation“ bestimmt. Der Hass gegen den liberalen Kapitalismus seiner Abkunft artikuliert sich im Kampf gegen den Liberalismus, der Hass gegen diejenigen, die das bürgerliche Freiheitsversprechen und damit die Freiheit des Individuums gegen seine kapitalistischen Fesseln geltend und somit wahr machen wollen, im Kampf gegen den Marxismus. Träger von Liberalismus und Marxismus als den beiden großen ideellen Gestalten der Moderne ist der Jude, der deshalb vor allem vernichtet gehört. Der wahre Kern des nationalsozialistischen Wahns, von allen und jedem verfolgt zu werden, besteht darin, dass eine wie auch immer gedachte Kooperation, ein schiedlich-friedliches Nebeneinander von Nationalsozialismus und Anderem nicht möglich ist. Dies allein schon deshalb, weil der den Nationalsozialismus begründende Konkurs als durch ihn aufgehobener noch kein erledigter ist, die Krise nicht behoben, sondern nur prolongiert wurde. Dem nationalsozialistischen deutschen Staat blieb vermutlich gar nicht anderes als der Versuch, sich durch den Raubkrieg zu sanieren. Raub, Mord und Totschlag ist sein Wesen, Vernichtung seine Mission. Dass der Kapitalismus in der Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Amokläufer und Selbstmordattentäter seine tiefe Krise überwand und zu einer dreißig Jahre andauernden Prosperität fand, an der nicht zuletzt der wieder zu einer demokratischen Gestalt gekommene und kapitalproduktiv gewordene Nachfolgestaat des nationalsozialistischen Deutschland kräftig partizipierte, steht auf dem gleichen Blatt, aber auf der gegenüberliegenden Seite.

Ob der Nationalsozialismus noch innerhalb einer „Dialektik der Aufklärung“ (Horkheimer/Adorno) als eine mit dem Kapitalismus eng vermittelte oder stärker als eine jenseits der „Grenzen der Aufklärung“ (Claussen) zu verortende Gesellschaftsformation gedacht wird, in keinem Fall kann noch auf die Dialektik des Kapitals reflektiert werden in Absehung dieser vom Nationalsozialismus offenbarten Möglichkeit ihres Umschlags in reine Negativität. Wertkritik ist seither im Schatten der nationalsozialistischen Todesfabriken anzusiedeln, es kann kein gültiges Denken mehr geben, in dem im bloßen Fortschreiten der Geschichte zugleich ein wie umwegig auch immer bewerkstelligter Fortschritt in der Geschichte gesehen wird. Als der Nationalsozialismus sich in den Sattel schwang und sein Führer die Zügel in die Hand nahm, brach sich der hegelsche Weltgeist sein Rückgrat.

Im linken Mainstream wird dem entgegen der deutsche Nazifaschismus einem allgemeinem Imperialismus subsumiert (Dimitroff) oder zu einer Fußnote der Moderne (Nürnberger Wertkritik) degradiert. So wird die Besonderheit des nationalsozialistischen Wesens verfehlt und im Nationalsozialismus nur eine besondere Ausdrucksform, nur eine spezifische Modalität von sei’s als Imperialismus, Kapitalismus, Moderne oder bürgerliche Herrschaft begriffenem Allgemeinem gesehen. Wird im Nationalsozialismus keine Wesensdifferenz zur bürgerlichen Gesellschaft festgestellt, so verwundert nicht, dass auch im Fall des islamischen Fundamentalismus wesentliche Unterschiede nicht gemacht werden (können). Im antideutschen Spektrum wurden hingegen sehr schnell – gegen Positionen wie die eines Robert Kurz, der behauptet, dass sich islamischer Fundamentalismus und Kapitalismus gleichen wie ein Ei dem anderen –, zwischen beiden ähnliche Unterscheidungsmerkmale wie zwischen Nationalsozialismus und Kapitalismus festgestellt und infolgedessen Gemeinsamkeiten zwischen Islamisten und Nazifaschisten. Ob diese Gemeinsamkeiten es allerdings rechtfertigen, eine Wesensgleichheit zu konstatieren, ist für uns schon deshalb zweifelhaft, weil der oben charakterisierte Nationalsozialismus in einem spezifischen Spannungsfeld kapitalistischer Zusammenbruchskrise in einer Metropole an die Macht gelangt ist. Diese spezifische Konstellation kann nicht ohne weiteres auf die ökonomischen Verwerfungen in den Ländern der so genannten Dritten Welt übertragen werden. Zudem hat sich der Islam in den von ihm geprägten Regionen im Früh- und Hochmittelalter und nicht in der kapitalistischen Neuzeit gebildet. Die islamistische Ideologie ist ein spezifisches Amalgam von traditionellem Islam und neuzeitlichem Antikapitalismus. Interessant ist vor allen Dingen die Frage, inwiefern der islamistische Antikapitalismus in seinen Gründen und Formen sich dem nationalsozialistischen angleicht.

Der Islamismus ist der völkisch-antisemitischen »Weltanschauung« des Nazismus verwandt, da beide eine durch und durch antiemanzipatorische und antiaufklärerische Reaktion auf die warenkapitalistische Modernisierung bilden. Beide setzen auf die regressive Utopie einer organischen Gemeinschaft als eine Art romantischer Gegenmoderne, die den Hass auf das Abstrakte der Herrschaft kapitalistischer Warenvergesellschaftung im jüdischen Finanzkapital und in jüdisch beeinflusster amerikanischer Macht personifiziert. Der regressiven Utopie einer organischen Gemeinschaft ist der Hass auf das Individuum eingeschrieben. Der Mensch gilt nur als Exemplar einer Gemeinschaft, deren Bestimmung und Identität feststeht. Damit unvereinbar ist die bürgerlich-städtische Indifferenz persönlicher Lebensstile, die Ausdruck bürgerlicher Freiheit und Resultat der Gleichgültigkeit kapitalistischer Gesellschaften und deshalb der mit bestialischen Mitteln hergestellten ideologischen Gemeinschaft weichen soll, welche den Dissidenten mit dem Tode bedroht.

Während aus Perspektive der Emanzipation an der in der bürgerlichen Gesellschaft stecken gebliebenen Aufklärung und Vernunft eben ihre mangelnde Durchführung kritisiert, gilt Islamisten Aufklärung und Vernunft als Ausdruck menschlichen Hochmuts und als Sündenfall schlechthin. Sie treffen sich hier mit den Nazis, wenn diese gegen „jüdische“ Wissenschaft und die Gemeinschaft zersetzende Intellektualität geifern, und die mystisch-spirituelle Mixtur, die beide gegen das Gift der Aufklärung meinen verabreichen zu müssen, ähnelt sich durchaus.

Beide entwerfen ein totalitäres Gesellschaftsmodell gegen Liberalismus und Kommunismus, welche von beiden auch als im Kern wesensgleich gedacht werden. Dieser Gegenentwurf soll mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchgesetzt werden. Dass die völlige Aussichtslosigkeit der Projekte nichts an dem mörderischen und selbstmörderischen Bemühen ihrer Betreiber zum Zwecke der Verwirklichung zu ändern vermag, bekundet deren pathologischen Charakter.

Die völlig wahnhafte Wahrnehmung der Realität zeigt sich z.B., wenn Mansur al-Haque, ein Führer der Vereinigten Mudschaheddin-Bewegung, schreibt: „Über viele Dekaden versuchte der heidnische Westen den heidnischen Osten zu zerstören und scheiterte. Dann schritt der heilige Krieger ein, um das größte je da gewesene gottlose Reich zu erniedrigen und schließlich zu zerstören. So erfüllte sich ein Teil von Allahs Verheißung gegenüber den Gläubigen. Zu erfüllen bleibt noch die Zerstörung des heidnischen, von den verweichlichten und feigen Amerikanern angeführten Westens. Dies dürfte eine leichtere Aufgabe sein, da die Amerikaner sich nie trauen werden, auf dem Schlachtfeld einem Krieger Allahs ins Gesicht zu sehen.“ Und wenn auch nur ein bedingt rechtfertigendes, so bildet es doch ein erfreuliches Moment in den von den USA angeführten Kriegen, dass die Vielen, die meinen, Mansur al-Haque und Konsorten unbedingt folgen zu müssen, hier eines Besseren belehrt wurden.

Ein zugespitztes Resümee des Vergleichs zwischen islamistischer und nationalsozialistischer Bewegung könnte lauten, dass alles das, was Kommunisten seit und mit Marx am Kapitalismus schätzen und nur aus seinen kapitalen Fesseln befreien möchten, von den Trägern dieser Bewegungen verabscheut und bekämpft wird. Das Verhältnis von Kommunisten kann deshalb zu ihnen kein anderes als ein feindseliges sein. Die im antideutschen Spektrum geführten Debatten finden, insoweit sie auf der oben skizzierten Grundlage stattfinden, in einem vernünftigen Rahmen statt, der aber selbstverständlich nicht einschließt, dass alle Beiträge selbst noch vernünftig genannt werden können. Insbesondere hat sich beim Irakkrieg gezeigt, dass, vermutlich infolge einer fortgeschrittenen Politisierung, das ehemals kritische, auf die Differenz zielende Potenzial zunehmend zu einem denunziatorischen Identifizieren degeneriert. Diese Fehlentwicklungen finden sich in exemplarischer und komprimierter Form in der zu zweifelhaftem Ruhm gekommenen und mit „Bush – the Man of Peace!“ betitelten Stellungnahme der Bahamas-Redaktion vom 10. April 2003, die deshalb im Folgenden ganz vorgestellt und in paradigmatischer Weise kritisiert wird.

 

„Die Redaktion BAHAMAS beglückwünscht die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens und ihre Verbündeten, besonders die Regierungen von Spanien, Portugal, Italien, Dänemark, Tschechien, Polen und Ungarn, die sich den erpresserischen Zumutungen Deutschlands und Frankreichs nicht gefügt haben, zu ihrem schnellen Sieg über das irakische Baath-Regime. Mit Erleichterung nimmt die Redaktion zur Kenntnis, dass dieser erste antifaschistische Waffengang im neuen Jahrhundert, aufseiten der Alliierten und auch unter der irakischen Zivilbevölkerung weit weniger Opfer kostet, als angesichts der äußersten Bösartigkeit und Unmenschlichkeit des Saddam-Regimes zu befürchten war.

Die Redaktion stimmt in den Jubel der irakischen Bevölkerung über ihre Befreiung ein. An Bewunderung grenzende Verblüffung löste insbesondere die politische Weitsicht der Bevölkerung Bagdads aus, die in ihren tatsächlichen und symbolischen Unmutsbekundungen sich zunächst gegen Einrichtungen des verhassten Regimes, dann gegen solche ihrer Verbündeten wie die UN oder Deutschland richtete und schließlich sogar den hässlichen Amerikaner entdeckte und schmähte: Jene, die als menschliche Schutzschilde dem faschistischen Saddam-Regime bis zuletzt die Stange gehalten haben.

Unsere besten Wünsche gelten insbesondere der Bevölkerung und Regierung Israels, denn die Befreiung der irakischen Bevölkerung ist zugleich die Befreiung Israels und der Juden weltweit von einem besonders gefährlichen antisemitischen Todfeind.

Mit größter Genugtuung nimmt die Redaktion zur Kenntnis, dass der Sieg der antifaschistischen Koalition eine schwere Niederlage Deutschlands bedeutet, nicht nur seiner Regierung, sondern auch jener 90 % der Landsleute, die sich dem unmenschlichen Machtkalkül ihrer Oberen vorbehaltlos angeschlossen haben. Möge die Erstürmung und Plünderung der deutschen Botschaft in Bagdad ihnen eine Warnung sein, dass die Welt dem schmutzigen Bündnis Deutschlands mit allen Mächten der Unterdrückung nicht weiter tatenlos zusehen wird.

Die Einnahme Bagdads und die Freudenfeiern der Iraker im ganzen Land am 09.04.2003 lassen die Hoffnung wachsen, dass die antisemitische Internationale, in die sich die UN ebenso wie Old Europe und der größte Teil der islamischen Welt und und und eingereiht haben, auf ihrem Siegeszug aufgehalten werden kann. Die Befreiung des Irak steht auch für den totalen Bankrott der europäischen und allen voran der deutschen Linken. Die Welt hat gesehen, mit welchem Unheil diese antiimperialistischen Friedensfreunde jederzeit zu kollaborieren bereit sind und der Hass auf diese menschlichen Schutzschilde jeder Barbarei wächst.

Der Frieden für den Irak ist noch kaum gewonnen, die Befreiung von Armut, Dummheit und Islamismus wird Jahre dauern – ob sie wirklich gelingt, vermag niemand zu sagen. Der Sieg über das Baath-Regime und die jetzt mögliche pax americana bzw. pax britannica ist allerdings die alternativlose Voraussetzung für jede menschliche, politische und ökonomische Verbesserung im Irak.

In diesem Sinne ist heute jenen kurdischen Kämpfern beizupflichten, die am 09.04.2002 auf ihrem triumphalen Vormarsch ein Transparent hochhielten, auf dem zu lesen war: Bush – the man of peace.“

Redaktion BAHAMAS, 10.04.2003

 

Vor allem befremdet zunächst der Ton. Die Redaktion beglückwünscht eine Reihe von Regierungen, die samt und sonders in Unkenntnis der Existenz dieser Redaktion sein dürften. Die Redaktion verleiht so einem, euphemistisch formuliert, starken Selbstbewusstsein Ausdruck, welches sich nicht mit der Rolle der Kritikers bescheidet, sondern sich zum Akteur in der weltpolitischen Arena aufschwingt. Nun ist hier nicht der Raum, um das Verhältnis von kritischer Theorie und gesellschaftlicher, im weitgehenden Sinne auch politischer Praxis zu erörtern. Hier kann nur markiert werden, dass eine wohlverstandene kritische Theorie sich, wenn möglich, auf praktische Intervention richtet, diese aber zugleich wiederum der Kritik unterwirft. Um mit Marx zu sprechen: Die Waffe der Kritik kann nicht die Kritik der Waffen ersetzen, Letztere allerdings ist wiederum besonders kritisch zu beäugen. Politik in einem engen Sinne bedeutet dagegen, sich ins bestehende Handgemenge zu stürzen und aufseiten einer der streitenden Parteien zu kämpfen, hat also einen grundlegend affirmativen und in Bezug auf die eigene Partei apologetischen Charakter. Dass die Bahamas als kämpfende Partei Anderes und aus ihrer Sicht Höheres in Sinn haben als Objektivität, zeigt sich denn auch bereits im ersten Satz der Erklärung: Die Rede von „den erpresserischen Zumutungen Deutschlands und Frankreichs“ suggeriert eine besonders verwerfliche Handlungsweise dieser Staaten, obwohl doch im Bemühen, eine Mehrheit im UN-Sicherheitsrat zu bekommen, gerade auch die USA sehr deutlich gemacht haben, dass politische und ökonomische Erpressung selbstverständliche Mittel auch internationaler Politik sind.

Nun gibt es allerdings Situationen, in denen auch für den kommunistischen Kritiker der bürgerlich-liberalen Gesellschaft zur Abwehr eines schlimmeren Verhängnisses nicht die Kritik an, sondern das Bündnis mit dieser Gesellschaft im Vordergrund stehen muss. Für die Bahamas-Redaktion hat man es im Irakkrieg ganz offensichtlich mit einer solchen Situation zu tun, charakterisiert sie doch im zweiten Satz ihrer Erklärung diesen als antifaschistischen Waffengang. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass man es bei dem irakischen Baath-Regime mit einem dem Nationalsozialismus vergleichbarem Regime zu tun hat, zu dessen Niederwerfung die gleichen Mittel legitim sind wie beim gebotenen Krieg gegen das nationalsozialistische Deutschland. So wird der Nationalsozialismus zur bloßen Despotie verharmlost und zugleich unterstellt, dass sich ein Gebilde wie das irakische Baath-Regime in einem ähnlichen Verhältnis zur bürgerlichen Gesellschaft befindet, wie es oben für den Nationalsozialismus skizziert wurde. Zusätzlich befremdet noch, dass in der Erklärung vom ersten antifaschistischen Waffengang im neuen Jahrhundert gesprochen wird, kreiste die Diskussion im antideutschen Spektrum wesentlich auch darum, inwiefern man den islamischen Fundamentalismus mit dem Nationalsozialismus gleichsetzen und insofern den Krieg gegen das unter talibanischer Herrschaft stehende Afghanistan als antifaschistischen Waffengang bezeichnen kann. Bekannt, wenngleich wie so vieles von ihr ausgeblendet, dürfte auch der Bahamas-Redaktion sein, dass nicht zuletzt die USA im Kampf gegen die islamische iranische Republik das Hussein-Regime durchaus zu gebrauchen wussten. Die Position der Redaktion zeigt sich auch erfahrungsresistent, wenn ihr die zu Recht von ihr festgestellten relativ geringen Opferzahlen und der Umstand, dass der überwiegende Teil der irakischen Bevölkerung sich auch subjektiv befreit fühlte, kein Anlass sind, auch insofern über die Unterschiedlichkeit zwischen dem von ihr Gleichgesetzten nachzudenken.

Eine in den tiefsten Niederungen der Parteipolitik sich tummelnde, vollständig unkritische Gestalt ist bekanntlich diejenige, die alle Nichtzugehörigen zu Gegnern und Feinden macht und deren dichotomisches Motto lautet: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Aus einer solch kläglichen Perspektive erscheinen diejenigen, welche sich von den wechselnden, nur jeweils bedingt plausiblen und im Wesentlichen unbewiesenen Gründen, die die USA und Großbritannien für den Krieg aufführten, nicht überzeugen ließen, als Bündnispartner und Freunde des Saddam-Regimes. Auch hier ist eine Konstellation vorausgesetzt, in der strukturelle Verflechtungen, eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure mit je eigenen Interessen, Fragen von Souveränität und Interdependenz u.Ä. keine Rolle mehr spielen und sich auflösen in der schlichten Entgegensetzung von Freiheit und Unterdrückung: Begriffe, die deshalb nicht von ungefähr auch die gesamte Erklärung durchziehen.

Im Fortgang äußert sich die Redaktion zur Lage in Israel und behauptet, dass diese sich durch den Sturz von Saddam Hussein gebessert habe. Dies kann unmöglich bestritten, aber füglich bezweifelt werden. Das Ausmaß an Antisemitismus und Hass auf den Staat Israel ist in der Region zu gewaltig, als dass diesbezüglich Saddam Hussein einen Unterschied gebildet hätte. Hingegen spricht vieles dafür, dass sich Hussein in keiner anderen Frage so sehr im Einklang mit dem größten Teil der irakischen Bevölkerung wusste als in der des Umgangs mit Israel. Nicht abwegig ist deshalb die Annahme, dass Saddams Antisemitismus zu einem großen Teil rein herrschaftsinstrumentellen Charakter hatte. Auszuschließen ist insofern auch nicht, dass, wenn denn die Träume eines aufblühenden Iraks wahr werden sollten, dieser erstarkte Irak für Israel bedrohlicher werden kann als der unter Husseins Herrschaft nachhaltig geschwächte. Sicher jedoch wird niemand ernsthaft behaupten können, dass sich durch den Irakkrieg die Situation Israels grundlegend geändert habe. Die universelle und notwendige Funktion des Staates Israel, Juden und als Juden verfolgten Menschen eine Stätte der Zuflucht zu geben, in der sie um ihr Leben nicht dauernd fürchten müssen, ist unverändert bedroht. Die Existenz Israels als jüdischer Staat ist darum unverzichtbar, die Solidarität mit dem jüdischen Staat kann deshalb keine andere als eine bedingungslose sein. Darin eingeschlossen ist zum einen – gegen tumbe Antirassisten gewendet –, dass der jüdische Charakter des Staates zu erhalten ist, und zum anderen – gegen bestimmte Teile des antideutschen Spektrums gewendet –, dass die bedingungslose Solidarität eine solche nicht wäre, wenn es nicht die Möglichkeit staatlicher Handlungen von Israel gäbe, die man nicht teilen mag. Ob eine Kritik an israelischer Politik eine antisemitische ist oder nicht, kann also nur inhaltlich entschieden werden und nicht, wie es – nicht nur – bei den Bahamas gang und gäbe ist, an dem Tatbestand der Kritik als solcher. Ob die antisemitische Internationale wirklich in dem Umfang wie in der Erklärung beschrieben besteht, nämlich aus UN, Old Europe, dem größten Teil der islamischen Welt (in diesem Kontext würde interessieren, welcher Teil herausfallen sollte) und und und ..., bleibt also zweifelhaft. Unzweifelhaft muss aber zurückgewiesen werden, die gravierende inhaltliche Frage des Antisemitismus en passant anhand der Konstellation eines Krieges zu entscheiden, in dem es um diese Frage, wenn überhaupt, zuallerletzt nur ging.

Im Folgenden wird in der Erklärung konstatiert, dass der Sieg der angeblich antifaschistischen Koalition eine schwere Niederlage Deutschlands bedeute. Als Grund für diese Niederlage kann vermutet werden, dass, da Deutschland in einem „schmutzigen Bündnis mit allen Mächten der Unterdrückung“ stehe, mit dem Sturz des Diktators Deutschland ein wichtiger Bündnispartner abhanden gekommen ist. Hier könnte man zunächst eine Redaktion, die mitunter die Sprachkritik kultiviert, fragen, ob es nicht unterdrückerische Mächte gibt. Bedeutsamer allerdings ist die Frage, was denn darunter und wie das denn zu verstehen ist: Deutschland. Eine Frage, für deren sachliche Behandlung an dieser Stelle der Raum fehlt, weshalb wir uns hier mit einer groben Zeichnung des Rahmens und der zentralen Linien begnügen müssen.

Im antideutschen Diskurs wird der postfaschistische Charakter Deutschlands betont. Dies zu Recht, weil nur so der notwendige Verweis auf den deutschen Nationalsozialismus hergestellt und dem Umstand Rechnung getragen wird, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht nur auf, sondern auch aus den Trümmern des nationalsozialistischen Vorgängerstaates errichtet wurde. In die Gründung der BRD eingeschrieben war von vornherein ein affirmativer Bezug auf Deutschland, das „wiedervereinigt“ und sogar bis hinein in die 1970er-Jahre „wiederhergestellt“ werden sollte in den politischen Grenzen von 1937. Dieses affirmierte Deutschland war als bürgerlicher Nationalstaat nicht nur durch den Nationalsozialismus ein unmöglicher, sondern bereits vor 1933 von einer so verheerenden Konstitution, dass gerade und nur in ihm die nationalsozialistische Antwort auf die kapitalistische Krise zur katastrophalen Geltung kam. In Deutschland gab es eine Reihe von gesellschaftlichen, auch weit über das Bürgertum bis in die organisierte Arbeiterbewegung hineinreichenden Strukturen, Ideologien und Traditionen, die entweder in gerader Linie in nazistische Ideologie führten oder vom Nationalsozialismus adaptiert werden konnten. In ihrem Zentrum steht die Unterordnung der partiellen Interessen unter die des deutschen Volksstaates.

Nun ist die Verpflichtung aufs kapitale Gesamtwohl kein deutsches Spezifikum. Das Verhältnis von Einzelkapitalisten sowie auch der anderen Warenbesitzer unter Einschluss der Lohnarbeiter zum staatlichem Gesamtkapitalisten ist wie das Verhältnis von Markt und Staat, von Liberalität und Regulation ein nie endgültig festzulegendes, sondern ein immer neu in den und durch die Auseinandersetzungen der unterschiedlichen Protagonisten zu bestimmendes. Dies kann in einer Gesellschaft, die sich auf prozessierende Widersprüche gründet und deren wertförmige Synthesis hinter den Rücken der Produzenten geschieht, anders auch nicht sein. Definitive Lösungen, Endlösungen, sind im Kapitalismus nicht vorgesehen. Wenn deshalb in der Bundesrepublik Deutschland von der volksparteilichen CDU eine soziale Marktwirtschaft errichtet wurde, die die volksparteiliche SPD nach Übernahme des Ladens zu Beginn der 1970er-Jahre als „Modell Deutschland“ plakatierte, so verkörpert dieser so gestaltete „rheinische Kapitalismus“ nicht vor allem den volksgemeinschaftlichen Gegenentwurf zu einem liberalen angelsächsischen Kapitalismus. Dass der „rheinische Kapitalismus“ nur eine spezifisch deutsche Variante einer internationalen sozialdemokratischen Entwicklungslinie war, deren Wesen kapitaler und nicht völkischer Art war, dürfte spätestens klar geworden sein, als dieser durch die quasi naturgesetzliche kapitalistische Entwicklung beiseite geräumt wurde.

Der Begriff des Postfaschismus selbst ist schon problematisch. Ist in der Auseinandersetzung um den Charakter des nationalsozialistischen Deutschland darauf zu bestehen, dass die Unterschiede zwischen diesem und zum Beispiel dem italienischen Faschismus zu gravierend sind, als dass beide in einem gemeinsamen Faschismusbegriff zusammengeworfen werden könnten, so hat man in der postfaschistischen BRD personelle Kontinuitätslinien in den Nationalsozialismus und – deutlich etwa in Erhards Konzeption einer „formierten Gesellschaft“ – korporatistische Strukturen, die affin zum Faschismus sind. Dies kann hier nicht im Einzelnen diskutiert, sondern lediglich markiert werden. Wenn der Kapitalismus zu seiner gesellschaftlichen Reproduktion staatliche Regulation, gesetzliche Normierung etc. benötigt, so lässt sich in dem hier diskutierten Kontext aus dem Staatshandeln eine besondere Bestimmung nur ableiten, wenn dieses die Wertgesetze insgesamt außer Kraft setzt. Die Redaktion sei auch daran erinnert, dass der von ihnen zu Recht geschätzte amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt bekanntlich durch ein dezidiert antiliberales Wirtschaftsprogramm zu seinem Amte kam.

Die Bundesrepublik Deutschland ist zwar unheilbar von ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit geprägt, aber zugleich bestimmt durch die sich auf die Wertgesetze gründenden Imperative kapitalistischer Vergesellschaftung. Es ist deshalb abwegig, sie in einem natürlichen Bündnis mit allen regressiv reaktionären antikapitalistischen Bewegungen zu sehen, auch wenn richtig bleibt, dass der Nationalsozialismus Deutschland in den Augen dieser Bewegungen einen großen Bonus verleiht und im Nationalsozialismus Bündnisse geschlossen wurden, die sich tradierten. Diese abwegige Position bezog die Bahamas-Redaktion bereits anlässlich des Krieges gegen das talibanische Afghanistan, als sie insinuierte, dass aufgrund der zahlreichen Affinitäten zwischen Nationalsozialisten und Islamisten Deutschland nur Partei für Letztere ergreifen könnte und jedwede Solidaritätsbekundung an die USA infolge der Anschläge vom 11.09. reine Heuchelei sei. In solchen Positionen spricht sich ein Denken aus, das Deutschland und den Nationalsozialismus in einer unauflöslichen Einheit (und insofern den antifaschistischen Waffengang der Alliierten im Zweiten Weltkrieg als vergebens) sieht. Ein solch organisch ontologisches Denken erfüllt den Tatbestand der Antikritik, da das Resultat vor jeder Analyse der gesellschaftlichen Prozesse feststeht und dieser bereits unterlegt ist.

Das Absurde identifizierenden Denkens zeigt sich auch, wenn die Bahamas-Redaktion in einem gemeinsam mit dem „Berliner Bündnis gegen IG Farben“ und den „Antideutschen Kommunisten Berlin“ herausgegebenen Flugblatt zur „Liberation Day Rally 2003“ gegen 1.-Mai-Demos die folgende Passage zum Besten gibt: „... wer sich an keinem Aufmarsch beteiligen will, auf dem die ‚soziale Frage’, deren Antwort hierzulande immer ‚Volksgemeinschaft’ heißt, gestellt wird ...“. Die soziale Frage mag sich im Kommunismus und der Bahamas-Redaktion nicht mehr stellen, der Kapitalismus gründet sich auf ihr, es sei denn, man neigt der Annahme zu, Lohnarbeit würde nur aus Spaß an der Freude und zum nutzlosen Erwerb eines an sich völlig überflüssigen Geldes verrichtet. Etwas Blöderes als der Vorwurf, die soziale Frage zu stellen, ist also kaum vorstellbar. Worauf es nur ankommen kann ist, wie diese unabweisbare Frage aufgegriffen wird. Ein Kennzeichen des Nationalsozialismus bestand bekanntlich im Verbot des Klassenkampfes, der nicht das Signum der Revolution, sondern, in welcher unterschiedlichen Ausprägung auch immer, die Form sozialer Auseinandersetzungen in kapitalistischen Gesellschaften ist. Die Kritik, soziale Auseinandersetzungen zu führen, ist zu abgrundtief deutsch, als dass Antideutsche sie als solche übernehmen könnten. Tun sie es dennoch, führt ein solch antideutscher Schwachsinn unmittelbar in einen Irrsinn sehr deutscher Observanz.

Im Weiteren wird in der Erklärung behauptet, dass „die jetzt mögliche pax americana bzw. pax britannica allerdings die alternativlose Voraussetzung für jede menschliche, politische und ökonomische Verbesserung im Irak“ sei. In solchen Sätzen vollendet sich die Transformation des kritischen Theoretikers in den Bescheid wissenden und besserwisserischen Politiker. Schon in der Diskussion um den von der US-Regierung gegen den islamistischen Terrorismus deklarierten und auch von uns weitgehend affirmierten „Krieg gegen Terror“ irritierte, mit welcher Entschiedenheit von den „Bahamas“ die Position, dass die entwickelte kapitalistische Gesellschaft in Gestalt der bürgerlichen Zivilisation die alternativlose Voraussetzung für den Kommunismus sei, vertreten wurde. So richtig es ist, dass der emanzipative Gedanke der kommunistisch vergesellschafteten freien Assoziation nur in der bourgeoisen Gesellschaft im Gefolge der bürgerlichen Aufklärung entstanden ist, so falsch war doch die ihn begleitende und sich als „wissenschaftlicher Sozialismus“ selbstmissverstehende Annahme, dass die Entwicklung dieser Gesellschaft objektiv, wenngleich nicht selbsttätig, in den Sozialismus und Kommunismus führen würde. Bereits weiter oben wurde angesprochen, dass spätestens mit dem Nationalsozialismus ein geschichtsphilosophischer Umgang mit dem Kapitalismus obsolet geworden ist, da sich durch den Nationalsozialismus zeigte, dass im Kapital neben der Tendenz zur Reichtumsproduktion und zivilisatorischen Blüte auch eine hin zum Abgrund absoluter Barbarei enthalten ist. Gerade die von den Bahamas geschätzten Kritiker haben deutlich gemacht, dass die Entwicklung des Kapitalismus eher zu einem Verschlingen denn zu einer Beförderung seines Transformationspotenzials führte, dass nicht aus seinem Begriff die Möglichkeit zur Revolution erwächst, sondern – im Gegenteil – diese als Hoffnung nur noch in der Differenz, in der Nichtidentität von Begriff und Gegenstand angesiedelt ist.

Die bürgerlichen Ideologen und Adepten des Kapitals sehen dies natürlich anders. Für sie sind Diktatur, Despotie, Korruption usf. nicht Ausdruck, sondern nur Hemmnis kapitalistischer Vergesellschaftung, die es zum Zwecke der Erzielung allgemeiner Wohlfahrt und zur Erlangung von politischer Demokratie abzuschaffen gilt. Besonders, wenngleich unter Beimischung einer gehörigen Portion Gottvertrauens, ausgeprägt ist die Zuversicht in die segensreichen Potenzen des Kapitals in Teilen der gegenwärtigen Bush-Administration; ein Vertrauen, ohne das die Konzepte der nation buildings und die Strategien der regime changes gar nicht hätten entwickelt werden können. Nun bietet die Analyse des globalen Kapitalismus nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Annahme einer gelingenden nachholenden Akkumulation, wie sich beispielsweise auch aktuell in der ausgesprochen tristen afghanischen Entwicklung zeigt. Dies ist keine Kritik an der vernünftigen Vertreibung der Taliban, aber ein Hinweis darauf, dass sich dadurch für große Teile der afghanischen Bevölkerung nichts zum Besseren gewendet hat. Die um die „Bahamas“ sich gruppierenden Teile des antideutschen Spektrums scheinen aus lauter Verzweiflung blöd zu werden, wenn sie gegen jede auch ihnen zugängliche kritische Einsicht in der Bush-Administration, und hier insbesondere im ideologischen Furor ihrer neokonservative Fraktion, einen zeitgenössischen Bolschewismus am Werke sehen.

Vergleichsweise harmlos an solch z.B. von den antideutschen Kommunisten Berlins vertretenen Positionen ist noch die Schlichtheit des Gedankens, wonach, mit nur ein wenig gutem Willen und Mut, sich die von Menschen gemachten gesellschaftlichen Verhältnisse auch von Menschen wieder ändern lassen. Eine eigentümliche Verkehrung hält jedoch Einzug, wenn akklamiert wird, diese Veränderung der Verhältnisse sollten neoliberale Strategen bewerkstelligen, die explizit vertreten, dass nur die von keinem politischen und staatlichen Handeln beschränkte freie Entfaltung der kapitalistischen Marktkräfte die Wende zum Besseren bietet. Dass just die fortgeschrittenste kapitalistische Gestalt des entfesselten Weltmarkes, die selbst den rudimentären demokratischen Formen des nationalstaatlichen Parlamentarismus zunehmend die Wirkungsmöglichkeiten entzieht, diejenige sein soll, in der sich geschichtsmächtiges menschliches Handeln ausdrückt, ist ein nur noch auf reine Torheit sich gründendes Meinen.

 


* Wir laden zu einer Diskussion über das anliegende Papier

am Mittwoch, den 22. September, um 20 Uhr im Bürgerhaus Neckarstadt, ZiNr. 110

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